Pleomorphes Adenom

In den Speicheldrüsen (lat. Glandulae salivariae) können, wie in allen anderen Geweben des Körpers, sowohl gutartige als auch bösartige Tumoren entstehen. Bei den benignen (gutartigen) Speicheldrüsentumoren werden monomorphe Tumoren vom pleomorphen Adenom – umgangssprachlich Speicheldrüsenmischtumor – unterschieden.

Synoynme und ICD-10: ICD-10-GM D11.0: Gutartige Neubildung: Parotis; ICD-10-GM D11.7 - Gutartige Neubildung: Sonstige große Speicheldrüsen;ICD-10-GM  D10.3 - Gutartige Neubildung: Sonstige und nicht näher bezeichnete Teile des Mundes (inkl.: Kleine Speicheldrüsen o.n.A.)

Anatomie und Funktionen

Die Speicheldrüsen bestehen aus den großen Speicheldrüsen (Parotis, Submandibularis, Sublingualis) und zahlreichen kleinen Speicheldrüsen, die in der Mundschleimhaut verteilt sind. Sie sind für die Produktion und Sekretion von Speichel verantwortlich, der wichtig für die Verdauung und die Mundgesundheit ist.

Formen der Erkrankung

  • Pleomorphes Adenom: Der häufigste gutartige Tumor der Speicheldrüsen, der vor allem in der Parotis (Ohrspeicheldrüse) auftritt. Er macht 45-75 % aller Speicheldrüsentumoren aus.
  • Monomorphe Adenome: Seltenere, gutartige Tumoren, die weniger häufig als pleomorphe Adenome vorkommen.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen erkranken häufiger als Männer.

Häufigkeitsgipfel: Meistens betroffen sind Menschen mittleren Lebensalters.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Pleomorphe Adenome sind die häufigsten gutartigen Speicheldrüsentumoren.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Daten zur genauen Inzidenz fehlen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Langsames Wachstum: Benigne Speicheldrüsentumoren wachsen in der Regel sehr langsam.
  • Symptomlosigkeit: Oft verursachen sie keine Beschwerden und werden zufällig entdeckt.
  • Nervus-facialis-Schädigung: Gutartige Tumoren verursachen normalerweise keine Schädigung des Nervus facialis (Gesichtsnerv). Eine Schädigung dieses Nervs deutet auf eine mögliche maligne (bösartige) Entartung hin.

Prognose

  • Gute Prognose bei benignen Tumoren: Die Prognose für Patienten mit gutartigen Speicheldrüsentumoren ist in der Regel sehr gut.
  • Chirurgische Entfernung: Symptomatische Tumoren oder Tumoren, die im Wachstum begriffen sind, sollten chirurgisch entfernt werden.
  • Maligne Entartung: Bei Verdacht auf eine maligne Entartung, besonders bei Schädigung des Nervus facialis, ist eine schnelle chirurgische Intervention erforderlich.
  • Rezidive: Rezidive sind selten, können aber bei unvollständiger Entfernung auftreten. Regelmäßige Nachkontrollen sind wichtig.

Symptome – Beschwerden

Dieser Tumor verursacht keinerlei Beschwerden. Die Diagnose wird häufig zufällig gestellt. Mitunter bemerken die betroffenen Patienten eine Schwellung und stellen sich deswegen bei ihrem Arzt oder Zahnarzt vor.

 Folgende Symptome und Beschwerden können auf ein pleomorphes Adenom hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf ein pleomorphes Adenom:

  • Schwellung ohne Schädigung des Nervus facialis: Häufigstes Symptom; bei ca. 70-90 % der Betroffenen
    • Prall-elastische Konsistenz mit glatter Oberfläche: Tastbefund; tritt bei ca. 80-90 % der Fälle auf
    • Verschieblichkeit der Schwellung (bei ca. 70-85 %): Er infiltriert nicht ins umliegende Gewebe, was ein Zeichen für seine Gutartigkeit darstellt

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Druckgefühl oder lokale Beschwerden: Tritt bei ca. 10-20 % der Patienten auf

Differentialdiagnosen

  • Maligne (bösartige) Speicheldrüsentumoren
  • Speichelsteine (Sialolithiasis)
  • Chronische Sialadenitis (Speicheldrüsenentzündung)
  • Lymphadenopathien (Lymphknotenschwellungen)

Pathogenese (Krankheitsentstehung) – Ätiologie (Ursachen)

Es wird davon ausgegangen, dass sich das pleomorphe Adenom aus neoplastisch (neubildend) proliferierenden (wuchernden) Epithelzellen entwickelt.

Es sind keinerlei Risikofaktoren für die Entstehung dieses Tumors bekannt.

Folgeerkrankungen

  • Maligne Transformation in 1-5 % der Fälle, besonders bei Rezidiven.
  • Mögliche Zeichen sind plötzliche Größenzunahme oder Fazialisschädigung.
  • Rezidivrate nach Exzision bei etwa 10 %.

Diagnostik

Der Verdacht auf ein pleomorphes Adenom besteht bei Vorliegen eines verschieblichen, prall-elastischen Tumors ohne Schädigung des Nervus facialis.

Zur Bildgebung werden sowohl Sonographie (Ultraschall) als auch die Magnetresonanztomographie des Kopfes (craniale MRT; cMRT) herangezogen.

Eine Biopsie darf auch bei Verdacht auf das benigne pleomorphe Adenom nicht erfolgen, da hierbei die Kapsel des Tumors zerstört würde und die Tumorzellen so ins umliegende Gewebe gelangen würden, was wiederum zu multiplen Rezidiven führt.

Therapie

  • Operative Entfernung (Parotidektomie), mit Erhalt des Nervus facialis.
  • Sicherheitsabstand zur Minimierung des Rezidivrisikos.
  • Risiko der Tumorzellaussaat bei intraoperativer Kapselverletzung.
  • Postoperative Komplikation: Frey-Syndrom (gustatorisches Schwitzen).
  • Prävention und Behandlung des Frey-Syndroms: chirurgische Techniken, Botulinumtoxin-Therapie.

Bei Vorliegen eines pleomorphen Adenoms ist aufgrund der hohen Rezidivrate (Wiederauftreten der Erkrankung) und der Gefahr der malignen (bösartigen) Entartung die Entfernung der betroffenen Drüse meist die Therapie der Wahl. Im Bereich der Glandula parotis – Ohrspeicheldrüse – wird dies als Parotidektomie bezeichnet. Je nach Ausmaß des Tumors wird eine laterale beziehungsweise partielle Parotidektomie oder eine totale Entfernung der Ohrspeicheldrüse vorgenommen.
Bei gutartigen Tumoren, wie dem pleomorphen Adenom, wird hierbei der Nervus fazialis erhalten, sodass die Funktion der mimischen Muskulatur des Gesichtes erhalten bleibt. Eine intraoperative Schädigung des Nervs zählt zu den Risiken der Operation, ist jedoch selten.

Dennoch muss bei Entfernung des pleomorphen Adenoms ein Sicherheitsabstand eingehalten werden, um das Rezidivrisiko so gering wie möglich zu halten. Kommt es intraoperativ zur Verletzung des Tumors, so besteht die Gefahr der Verteilung von Tumorzellen im Gewebe, was multiple Rezidive nach sich ziehen würde.

Nach Entfernung der Ohrspeicheldrüse kann es bei den Patienten zum sogenannten Frey-Syndrom, dem gustatorischen Schwitzen, kommen. Hierbei tritt bei den Betroffenen bei Nahrungsaufnahme ein Schwitzen im Bereich der Wange auf. Dieses Phänomen beruht darauf, dass die Nerven, die zuvor die Speicheldrüse versorgt hatten, nun ihr Zielorgan verloren haben und irrtümlicherweise an die Schweißdrüsen der Haut einwachsen und diese nun jedes Mal zur Schweißabgabe anregen, wenn es zur Nahrungsaufnahme kommt.

Heute gibt es jedoch zahlreiche Techniken, um dies bereits intraoperativ zu verhindern, beispielsweise durch Einnähen eines Muskellappens, der so das Einwachsen der Nerven in die Schweißdrüsen der Wange verhindert.
Kommt es dennoch zum Frey-Syndrom, so kann dies mittlerweile unter anderem durch eine lokale Therapie mit Botulinumtoxin behandelt werden.

Literatur

  1. Strutz J, Mann W. (Hrsg.): Praxis der HNO-Heilkunde. Kopf- und Halschirurgie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2001
  2. Schwenzer N, Ehrenfeld M (Hrsg.): Spezielle Chirurgie. Lehrbuch zur Aus- und Weiterbildung. 3. aktualisierte und erw. Aufl. 2002
  3. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.