Verlust an Zahnhartsubstanz (Abrasionen)
Zahnabrasionen (Synonyme: Abrasio dentium, Ankylose der Zähne, Zahnabrasion, Dentale Resorption, Hyperplasia cementi; ICD-10-GM K03.-: Sonstige Krankheiten der Zahnhartsubstanzen), umgangssprachlich als Zahnabrieb bekannt, bezeichnen den Verlust von Zahnhartsubstanz durch mechanische Reibung. Dieser Artikel bietet eine umfassende Betrachtung der Abrasio dentium, einschließlich ihrer Pathogenese, Diagnostik und therapeutischen Ansätze.
Geschlechterverhältnis und Häufigkeitsgipfel: Es gibt keine spezifischen Daten, die auf ein signifikantes Geschlechterverhältnis oder einen bestimmten Häufigkeitsgipfel hinweisen. Abrasionen können in jedem Lebensalter auftreten.
Genaue globale Daten zur Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) und Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) sind begrenzt, jedoch ist bekannt, dass die Erkrankung häufig auftritt, insbesondere im mittleren bis höheren Lebensalter.
Verlauf und Prognose: Abrasionen der Zähne sind progressiv und können ohne geeignete Maßnahmen zu weiterem Zahnhartsubstanzverlust führen.
Klassifikation
- ICD-10 Code: K03.-
- Lokalisation: Okklusal, approximal, vestibulär, lingual
- Befallene Zahnsubstanz: Zahnschmelz, Dentin
- Aktivität: Aktiv, inaktiv
- Visueller Befund: Abnutzungsgrad, Muster
Symptome – Beschwerden
Hauptsymptome
- Abgeflachte Kauflächen
- Freiliegendes Dentin (Zahnbein) mit erhöhter Sensibilität
- Zahnfarbänderung der Hartsubstanz
Nebensymptome
- Ästhetische Beeinträchtigungen
- Veränderte Zahnform
Folgeerkrankungen
- Dentinsensibilität
- Pulparetraktion und mögliche Entzündung des Zahnnervs
- Ästhetische Beeinträchtigungen
Anamnese
- Familienanamnese: Allgemeine dentale Gesundheit
- Soziale Anamnese: Bruxismus (Zähneknirschen) und Stressfaktoren
- Aktuelle Anamnese: Mundhygienegewohnheiten, diätetische Gewohnheiten
Pathogenese – Ätiologie
Pathogenese (Kranheitsentstehung)
Zahnabrasionen bezeichnen den progressiven Verlust von Zahnhartsubstanz, der primär durch mechanische Einwirkungen verursacht wird. Dieser Prozess führt zu einer stetigen Abnutzung der Zahnoberfläche, wobei die Pathogenese von Zahnabrasionen vielschichtig und multifaktoriell ist.
- Bei älteren Menschen: Hier sind die Abrasionen häufig durch den natürlichen Verschleiß bedingt. Im Laufe der Zeit führt der Kontakt der Zähne untereinander, bekannt als Attrition, zu einer Abflachung der Zahnkronen und einer fortschreitenden Exposition des Dentins.
- Bei jüngeren Menschen: In jüngeren Gebissen sind Parafunktionen wie Bruxismus, das unbewusste nächtliche Zähneknirschen, eine häufige Ursache für Abrasionen. Diese unwillkürlichen Bewegungen üben erhöhten Druck auf die Zähne aus, was zu einer beschleunigten Abnutzung führt.
- Falsches Zähneputzen: Eine weitere verbreitete Ursache für Zahnabrasionen ist die Verwendung von hochabrasiven Zahnpasten kombiniert mit einer aggressiven Putztechnik. Der RDA-Wert (Radioactive Dentin Abrasion) ist ein wichtiger Indikator für die Abrasivität von Zahnpasten. Zahnpasten mit einem RDA-Wert bis zu 70 gelten als gering abrasiv und sind daher vorzuziehen, um das Risiko von Abrasionen zu minimieren.
Ätiologie (Ursachen)
Die Ätiologie der Zahnabrasionen umfasst verschiedene Faktoren:
- Alterungsprozess: Der natürliche Alterungsprozess führt zu einer allmählichen Abnutzung der Zahnhartsubstanz.
- Parafunktionen: Bruxismus und andere Parafunktionen üben übermäßigen Druck auf die Zähne aus, was zu einer beschleunigten Abnutzung führt.
- Zahnpflegegewohnheiten: Die Verwendung von Zahnbürsten mit harten Borsten oder hochabrasiven Zahnpasten kann zu einer mechanischen Abnutzung der Zahnhartsubstanz führen.
- Ernährungsgewohnheiten: Regelmäßiger Konsum von harten oder abrasiven Nahrungsmitteln kann ebenfalls zur Abnutzung der Zähne beitragen.
Diagnostik
Labordiagnostik
- In der Regel nicht erforderlich
Medizingerätediagnostik
Röntgendiagnostik
- Bissflügelaufnahmen: Diese Röntgenaufnahmen sind besonders hilfreich, um interproximale Abrasionen oder Abnutzungen in den Bereichen zwischen den Zähnen zu identifizieren.
- Panoramaschichtaufnahmen (OPG): Ein OPG bietet einen umfassenden Überblick über das gesamte Gebiss und den Kiefer, was bei der
Digitale Volumentomographie (DVT)
- 3D-Bildgebung: Die DVT bietet detaillierte dreidimensionale Bilder, die eine präzise Beurteilung der Zahnhartsubstanz und des umgebenden Kieferknochens ermöglichen. Sie ist besonders nützlich, um das Ausmaß des Substanzverlustes und die Beteiligung des Dentins zu beurteilen.
Computertomographie (CT)
- Hochauflösende Bildgebung: In seltenen Fällen, in denen eine noch detailliertere Bildgebung notwendig ist, kann eine CT-Untersuchung angezeigt sein, insbesondere wenn komplexere zahnärztliche Rekonstruktionen geplant sind.
Fotografische Dokumentation
- Intraorale Kameras: Hochauflösende intraorale Kameras ermöglichen eine detaillierte visuelle Dokumentation der Abrasionsmuster und der Zahnstruktur.
Laserscanning
- Oberflächenanalyse: Laserscanning-Technologien können zur genauen Analyse der Zahnoberflächenstruktur und zur Messung des Abriebs verwendet werden.
Elektrische Pulpatests
- Vitalitätsprüfung: Bei freiliegendem Dentin oder fortgeschrittener Abrasion kann ein elektrischer Pulpatester eingesetzt werden, um die Vitalität des Zahnnervs zu beurteilen.
Prävention
Die Prävention von Zahnabrasionen ist ein wichtiger Bestandteil der zahnärztlichen Betreuung. Sie zielt darauf ab, den Verlust der Zahnhartsubstanz zu minimieren und langfristig die Zahngesundheit zu erhalten. Hier sind einige Schlüsselstrategien:
Aufklärung und Bewusstsein
- Informationsvermittlung: Patienten sollten über die Ursachen und Risikofaktoren von Zahnabrasionen aufgeklärt werden. Dies umfasst das Verständnis für die Rolle von Bruxismus, die Verwendung von abrasiven Zahnpflegeprodukten und die Auswirkungen von Ernährungsgewohnheiten.
- Bewusstsein schaffen: Die Sensibilisierung für die Symptome und Anzeichen von Zahnabrasionen hilft, frühzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Zahnpflege und Technik
- Richtige Putztechnik: Patienten sollten in der richtigen Zahnputztechnik geschult werden, um den abrasiven Druck auf die Zähne zu reduzieren.
- Weiche Zahnbürsten: Der Gebrauch von Zahnbürsten mit weichen Borsten wird empfohlen, um den Abrieb zu minimieren.
- Zahnpasta-Auswahl: Die Verwendung von Zahnpasten mit einem niedrigen RDA-Wert (Radioactive Dentin Abrasion) wird angeraten, um die Abrasivität zu reduzieren.
Diätetische Anpassungen
- Ernährungsumstellung: Eine Ernährung, die wenig harte oder abrasive Nahrungsmittel enthält, kann helfen, den mechanischen Abrieb zu verringern.
- Vermeidung von sauren Lebensmitteln: Saure Nahrungsmittel und Getränke können zu Zahnerosionen führen, die den Abrasionsprozess beschleunigen.
Management von Parafunktionen
- Bruxismus-Kontrolle: Bei Patienten mit Bruxismus ist es wichtig, diesen zu kontrollieren. Dazu gehören Stressmanagement-Techniken und, falls notwendig, der Einsatz von Knirscherschienen, um den Druck auf die Zähne während des Schlafes zu reduzieren.
Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen
- Prophylaxe und Früherkennung: Regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen ermöglichen eine frühzeitige Erkennung von Anzeichen von Abrasionen und die Einleitung präventiver Maßnahmen.
Professionelle Reinigung und Fluoridierung
- Zahnreinigung: Professionelle Zahnreinigungen helfen, Plaque und Zahnstein zu entfernen, die zu einer erhöhten Abrasion beitragen können.
- Fluoridbehandlungen: Fluoridierungen stärken den Zahnschmelz und können so helfen, den Zähnen zusätzlichen Schutz zu bieten.
Therapie
Abnutzung, die Reparatur bereits entstandener Schäden und die Linderung von Beschwerden. Die Therapie kann sowohl nicht-operative als auch operative Maßnahmen umfassen.
Nicht-Operative Therapieverfahren
- Spezialisierte Zahnpasta für empfindliche Zähne: Verwendung von Zahnpasten, die speziell für empfindliche Zähne formuliert sind, um die durch freiliegendes Dentin verursachte Empfindlichkeit zu reduzieren.
- Fluoridbehandlungen: Auftragen von Fluorid in Form von Gelen, Lacken oder Spülungen, um den Zahnschmelz zu stärken und die Sensibilität der Zähne zu verringern.
- Therapeutische Mundspülungen: Einsatz von fluoridhaltigen oder anderen speziellen Mundspülungen zur Schmerzlinderung und zum Schutz vor weiterer Abnutzung.
- Knirscherschienen: Anfertigung und Anwendung individuell angepasster Knirscherschienen für Patienten mit Bruxismus, um den Druck auf die Zähne während des Schlafes zu reduzieren und weitere Abrasionen zu vermeiden.
Operative Therapieverfahren
- Kompositfüllungen: Anwendung von Kompositmaterialien, um verloren gegangene Zahnhartsubstanz zu ersetzen und die Funktion der Zähne wiederherzustellen.
- Kronen: Bei erheblichem Substanzverlust können Zahnkronen erforderlich sein, um die Zähne zu schützen und ihre Funktionalität zu restaurieren.
- Veneers: Einsatz von Keramik- oder Kompositveneers zur ästhetischen Korrektur und zum Schutz der abradierten Zähne.
- Wurzelkanalbehandlung: Erforderlich bei fortgeschrittener Abrasion, die die Pulpa (den Zahnnerv) betrifft.
Beratung und Aufklärung
- Aufklärung über effektive Zahnpflege: Informieren der Patienten über korrekte Zahnputztechniken, die Verwendung weicher Zahnbürsten und die Auswahl passender Zahnpasta.
- Ernährungsberatung: Anleitung zu einer zahnschonenden Ernährung, insbesondere zur Vermeidung von harten und abrasiven Nahrungsmitteln.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen
- Nachsorge: Regelmäßige zahnärztliche Untersuchungen sind essenziell, um den Fortschritt der Behandlung zu überwachen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
Abschlussbemerkungen
Eine effektive Therapie von Zahnabrasionen erfordert eine individuelle Herangehensweise, die auf die spezifischen Bedürfnisse und die Situation des Patienten zugeschnitten ist. Eine Kombination aus präventiven Maßnahmen, nicht-operativen und operativen Therapien sowie regelmäßige Nachsorge ist entscheidend für den langfristigen Erfolg und die Aufrechterhaltung der Zahngesundheit.
Literatur
- Kluge A: Zähneknirschen und Zähnepressen – Wie wirken sich solche Gewohnheiten auf unsere Gesundheit aus? Wissenschaftliche Stellungnahme der DGZMK und DGFDT
- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.