Individueller Medikamententräger
Bei einem individuellen Medikamententräger handelt es sich um eine für einen oder beide Kiefer hergestellte Kunststoffschiene, die mit Fluorid- oder Chlorhexidin-Gel beschickt ist und in den Mund eingesetzt wird. Dieser Medikamententräger soll für eine längere Verweildauer des Wirkstoffs auf der Zahnoberfläche bzw. der Gingiva (dem Zahnfleisch) sorgen.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die Applikation (das Aufbringen) eines Wirkstoffs mittels einer Schiene hat den Vorteil, dass seine Verdünnung durch den Speichel nicht oder deutlich langsamer erfolgt als bei schienenloser Anwendung. Ein individueller Medikamententräger wird in der Intensivprophylaxe dann zu Hilfe genommen, wenn herkömmliche Anwendungen der Medikamente aufgrund bestimmter Einschränkungen nicht umsetzbar erscheinen.
Zur Anwendung kommen in der Regel:
- Karies reduzierende Wirkstoffe und
- die Verursacher einer bakteriellen Gingivitis (Zahnfleischentzündung) hemmende Substanzen
Es ergeben sich folgende Indikationsstellungen:
- Bakterielle Gingivitis (Zahnfleischentzündung)
- Vorübergehend eingeschränkte Mundhygiene: beispielsweise nach Operationen, die die manuelle Geschicklichkeit einschränken
- Dauerhaft eingeschränkte Mundhygiene beispielsweise bei Patienten mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen, die eine effektive Zahnpflege unmöglich machen
- Intensive Reduktion (Senkung) kariesrelevanter Keime
- Xerostomie: altersbedingte Mundtrockenheit, ausgelöst durch allmählich nachlassende Funktion der Speicheldrüsen
- Radio-Xerostomie: Die Therapie mit Röntgenstrahlen im Kiefer- und damit Speicheldrüsenbereich führt durch deren Schädigung ebenfalls zur Hyposalivation (verminderten Speichelproduktion)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Gegen die Anwendung eines individuellen Medikamententrägers als solchen ist nichts einzuwenden. Einschränkungen ergeben sich aus dem unsachgemäßen Umgang und der Zusammensetzung der mit der Schiene applizierten Medikamente:
- Unverträglichkeit eines Wirk- oder Zusatzstoffes
- Dem Patienten ist es nicht möglich, das Gel nach Anwendung auszuspülen, wodurch die Möglichkeit einer Überdosierung gegeben ist.
Das Verfahren
Schienenherstellung:
Nach Abformung des Ober- und Unterkiefers in der zahnärztlichen Praxis werden im zahntechnischen Modell mittels der Abformungen Gipsmodelle hergestellt. Über diese Modelle wird eine weich bleibende, thermoplastische (bei Erhitzen verformbare) Kunststofffolie (z. B. Erkoflex® in 2 mm Stärke) unter Vakuum tiefgezogen, wodurch sie sich den Zahnkonturen eng anschmiegt und nach Abkühlung diese Form auch beibehält. Die Ränder der Tiefziehschiene werden der Zahnkontur durch Beschleifen oder Zurechtschneiden so angepasst, dass die Gingiva nicht irritiert wird.
Die Tiefziehschiene dient in der Regel als Träger für folgende Wirkstoffe:
I. Chlorhexidindigluconat (Chlorhexidin, CHX) in Gelform 1 %-ig bis 2 %-ig:
CHX wirkt direkt bakterizid (keimtötend) auf den wichtigsten Karies verursachenden Keim, streptococcus mutans, u. z. sowohl im Speichel als auch in der den Zähnen anhaftenden Plaqueschicht (Schicht aus Keimen und organischem Material). CHX wird außerdem in die Pellikel (hauchdünne Schicht aus organischer Matrix, die sich unmittelbar nach Zahnreinigung wieder auf der Zahnoberfläche bildet) eingelagert und gespeichert und entfaltet dadurch Langzeitwirkung. Die Reduktion der Mutans-Streptokokken ist bis zu drei Monate nach Applikation nachzuweisen. Die Anwendung kann erfolgen
- in Form einer Stoßtherapie: Tragezeit 5 min., ausspülen, 5 min. Pause, Applikation noch zweimal wiederholen,
- als zeitlich begrenzte Intensivkur oder
- bei Radio-Xerostomie Dauertherapie: tägliche Tragezeit am Abend 5 bis 10 min. in Kombination mit Fluoridgel
II. Natriumfluorid oder Aminfluorid in Gelform 1,25 %-ig:
dienen der Verbesserung der Schmelzstruktur durch Remineralisation (Wiedereinlagerung von Fluorid in das Kristallgitter des Zahnschmelzes so wie Ersatz von Hydroxyl-Ionen). Die Schmelzoberfläche ist infolgedessen weniger säureanfällig und somit weniger kariesanfällig, da Säure ein Stoffwechselprodukt der Karies relevanten Mutans-Streptokokken ist. Die Anwendung erfolgt je nach Kariesrisiko:
- bei Radio-Xerostomie: täglich in Kombination mit CHX-Gel
- bei erhöhtem Kariesrisiko: einmal wöchentlich
- zur Prophylaxe in der zahnärztlichen Praxis: halb- / jährlich
Ein Vorteil, der sich aus der Medikamentenapplikation mittels individueller Schiene ergibt, ist die um bis zu 90 % sparsamere Medikamentendosierung im Vergleich zu einer konfektionierten Schiene. Beim einfachen Einbürsten des Gels wird, sachgemäßer Umgang vorausgesetzt, ähnlich wie beim individuellen Medikamententräger nur eine geringe Menge Wirkstoff verwendet. Aufgrund der dennoch hohen Fluoridkonzentration in Fluoridgelees (12.500 ppm) müssen die Patienten bei Selbstanwendung vorab ausführlich angeleitet werden, bei eingeschränkten Patienten muss die Anwendung durch entsprechend ausgebildete Personen erfolgen.
Vorgehen zur Applikation:
- Gleichmäßiges und sparsames Beschicken des Medikamententrägers mit dem Gel
- Einsetzen der Schiene auf Ober- und Unterkiefer für 2 bis 3 min. (Radio-Xerostomie 5 min.)
- Das abschließende Ausspülen muss vom Patienten beherrscht werden.
- Reinigung der Schiene mit Zahnbürste unter klarem Wasser
- trockene Aufbewahrung der Schiene
Mögliche Komplikationen
- Die wichtigste Komplikation stellt die Überdosierung des applizierten Wirkstoffs durch unsachgemäßen Umgang dar, hierbei insbesondere die Überdosierung von Fluorid. Lang dauernde Überdosierung im Wachstumsalter kann zu Dentalfluorose, bei mehrjähriger Überdosierung zu Mineralisationsstörungen der Knochen führen.
- Bei Patienten mit schweren Nieren- oder Leberfunktionsstörungen sollte Fluorid nicht eingesetzt werden.
Literatur
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- Zenner HP: Praktische Therapie von Hals- Nasen- Ohren- Krankheiten: Operationsprinzipien. Schattauer Verlag 2008
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- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
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