Augmentationsverfahren und Alternativen zur Wiederherstellung von Kieferkammdefekten
Kieferkammdefekte (Knochendefekte im Kieferbereich) können durch Zahnverlust, Traumata (Verletzungen), Infektionen oder angeborene Fehlbildungen (genetisch bedingte Fehlbildungen) entstehen. Die fehlende intraossäre Stimulation (Stimulation innerhalb des Knochens) durch die parodontalen Ligamentfasern (Haltefasern des Zahnapparates) führt zu einer Atrophie (Rückbildung) des Knochens, wodurch eine unzureichende Knochenmenge für Implantate (künstliche Zahnwurzeln) resultiert. Zur Rekonstruktion dieser Defekte stehen verschiedene Augmentationsverfahren (Knochenaufbaumethoden) zur Verfügung, darunter Onlay-Blocktransplantate (Transplantation von Knochenblöcken), gesteuerte Knochenregeneration (GBR, Guided Bone Regeneration), Sinuslift (Knochenaufbau in der Kieferhöhle) sowie alternative Ansätze wie kurze oder Jochbein-Implantate (besonders lange Implantate im Jochbein).
Techniken der Knochenaugmentation (Knochenaufbauverfahren)
Onlay-Blocktransplantate (Knochenblöcke als Auflagerung)
- Anwendung bei vertikalen und horizontalen Knochendefekten (Knochenverluste in Höhe oder Breite)
- Autologe Transplantate (Knochen vom eigenen Körper) bevorzugt aus Ramus (hinterer Unterkieferbereich) oder Symphyse (Kinnbereich)
- Fixation (Befestigung) mit Schrauben oder direkter Implantation
- Ein- oder zweizeitiges Verfahren (mit oder ohne separaten Implantationstermin)
Gesteuerte Knochenregeneration (GBR, Guided Bone Regeneration)
- Einsatz von Knochenersatzmaterial (künstliche oder natürliche Knochenersatzstoffe) mit Barrieremembran (Schutzmembran)
- Membranen verhindern Weichgewebsinfiltration (Einwachsen von Weichgewebe)
- Resorbierbare (selbstauflösende) und nicht resorbierbare Membranen
Sinuslift (Kieferhöhlenanhebung)
- Externer/lateraler oder interner/krestaler Zugang (Zugang über die Seitenwand oder von oben)
- Anhebung der Schneider'schen Membran (Innenhaut der Kieferhöhle) zur Knochengewinnung
- Kombination mit GBR oder Knochenersatzmaterial
Interpositionelle Transplantate (Sandwich-Osteotomien, Knochenzwischenlagerung)
- Indiziert bei vertikaler Defizienz (Höhenverlust des Knochens)
- Osteotomierte Segmente (getrennte Knochenbereiche) werden nach kranial (nach oben) verschoben
- Stabilisierung mittels Osteosyntheseplatten (Metallplatten zur Fixierung) und Membranen
Alveolarkammexpansion/-spaltung (Knochenspreizung)
- Krestale Osteotomie (Schnitt im Kieferkamm) zur Verbreiterung des Knochens
- Sofortimplantation (direktes Einsetzen der Implantate) möglich
- Reduktion der Behandlungsdauer
Alternative Verfahren
Kurze Implantate
- Alternative bei reduziertem Knochenangebot (geringer Knochenhöhe)
- Hohe Erfolgsraten bei Durchmesser ≥4 mm
- Vermeidung aufwendiger Augmentationsverfahren
Parasinusal gekippte Implantate (schräg eingesetzte Implantate nahe der Kieferhöhle)
- Neigung von 15° bis 35° zur Umgehung der Kieferhöhle
- Verhinderung invasiver Augmentationsverfahren
Jochbein-Implantate (Zygoma-Implantate)
- Indikation: atrophischer Oberkiefer (stark zurückgebildeter Oberkiefer)
- Implantation in das Os zygomaticum (Jochbein)
- Lange Implantate (bis 55 mm) mit hoher Primärstabilität (sofortige feste Verankerung)
- Herausforderung: erschwerte Mundhygiene
Transposition des Nervus alveolaris (Verlagerung des Unterkiefernervs)
- Ermöglicht Implantate bei reduziertem vertikalen Knochenangebot
- Risiko: postoperativer Sensibilitätsverlust (Taubheitsgefühl nach der OP)
Risiken und Komplikationen
- Infektionen, Sinusitiden (Nebenhöhlenentzündungen), Nervenverletzungen
- Membranperforation beim Sinuslift (Durchstoßen der Kieferhöhlenmembran, kann mit Membran verschlossen werden)
- Unzureichende Integration (Einheilung) von Transplantaten
- Kieferfrakturen (Brüche) bei Sandwich-Osteotomien
Goldstandard in der Knochenaugmentation
- Autologer Knochen bleibt die bevorzugte Wahl
- Vorteile: geringe Einheilzeit (schnelle Heilung), hohe Osteogenität (hohes Knochenwachstum), keine Immunreaktion
- Nachteil: Notwendigkeit einer zweiten Entnahmestelle
Individuelle Therapieentscheidung
- Anatomische Gegebenheiten (Knochendicke, -höhe), Vorerkrankungen und Patientenwünsche entscheidend
- Alternative Therapieoptionen wie kurze Implantate oder Jochbeinimplantate prüfen
- Entscheidung anhand eines evidenzbasierten Algorithmus zur Behandlungswahl
Fazit
Augmentationsverfahren sind bewährte Methoden zur Wiederherstellung von Kieferkammdefekten. Gleichzeitig gibt es alternative Ansätze, die in spezifischen Fällen die Knochenaugmentation vermeiden oder minimieren können. Die Entscheidung sollte individuell erfolgen, basierend auf einer umfassenden Anamnese (medizinische Vorgeschichte), der Analyse der anatomischen Verhältnisse (Knochensituation) sowie den langfristigen Erfolgsaussichten der jeweiligen Therapieoption.