Bürstenbiopsie bei oralen Risikoläsionen

Brush-biopsy

Die Bürstenbiopsie (Synonym: Bürstenzytologie) ist ein einfaches Verfahren zur Entnahme von Zellen aus auffällig veränderten Arealen der Mundschleimhaut und dient der Früherkennung und Kontrolle oraler Risikoläsionen.

Das orale Plattenepithelkarzinom (Plattenepithelkrebs der Mundhöhle) ist mit einer Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) von etwa 10.000 Neuerkrankungen pro Jahr eine häufige Krebserkrankung. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt für Männer zwischen 36 und 45 Prozent, für Frauen etwas darüber bei 50 bis 63 Prozent. Die ungünstigste Prognose haben Krebserkrankungen von Zunge, Mundboden und Rachen.

Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Frauen bei 64 Jahren, für Männer bei 60 Jahren.

Hauptrisikofaktoren für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms der Mundhöhle sind Nikotin und Alkohol, besonders wenn beide Risikofaktoren in Kombination vorhanden sind. Weitere Risikofaktoren sind unzureichende Mundhygiene, HVP-Viren, chronische Entzündungen sowie vitaminarme und fleischreiche Ernährung.

Oftmals wird die Erkrankung erst spät diagnostiziert, was schwerwiegende Folgen für den Patienten hat. Wird die Erkrankung im Frühstadium diagnostiziert und der Tumor im T1-Stadium entfernt, steigt die Fünf-Jahres-Überlebensrate auf etwa 90 Prozent an.

Orale Präkanzerosen (Krebsvorstufen) wie die Leukoplakie (weiße, nicht abwischbaren Effloreszenzen der Schleimhaut; es handelt sich dabei um eine Keratinisierungsstörung mit zellulären und epithelialen Atypien (Zellabweichungen von der Norm); die Leukoplakie gehört zu den fakultativen Präkanzerosen) und Erythroplakie (rötliche Läsion, die zu den fakultativen Präkanzerosen gehört) müssen daher regelmäßig vom Zahnarzt kontrolliert werden.
Die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der Leukoplakie wird mit 0,5 bis 3,4 Prozent angegeben. In 0,6 bis 18 Prozent der Fälle kommt es zu einer malignen Entartung.

Weitere potentielle maligne Mundschleimhautveränderungen s. u. Indikationen.

Eine einfache, wenig invasive Methode zur Beurteilung oraler Mundschleimhautveränderungen hinsichtlich ihres Malignitätspotentials ist die Bürstenbiopsie.

Indikationen (Anwendungsbereiche)

  • Potentielle maligne Mundschleimhautveränderungen:
    • Leukoplakie, Erythroplakie, oraler Lichen planus (OLP; chronisch entzündliche Erkrankung der Haut und der Schleimhäute; Knötchenflechte), Schleimhautveränderungen aufgrund von "reverse smoking", chronische Candidiasis (Sammelbezeichnung für Infektionskrankheiten durch Pilze der Gattung Candida), Cheilitis actinica (Lippenentzündung aufgrund von Sonneneinstrahlung), orale submuköse Fibrose, chronisch diskoidaler Lupus erythematodes (CDLE), Fanconi-Anämie (FA), Dyskeratosis congenita, 
  • Ulzera (Geschwüre) ohne Heilungstendenz, d. h. auch jede nichtabheilende Wunde
  • Läsionen mit auffälliger Oberflächenstruktur
  • Kontrolle nach vorausgegangen, negativen Bürstenbiopsien bei persistierenden Läsionen
  • Kontrolle von Läsionen bei Patienten mit einem Kopf-Hals-Karzinom in der Anamnese

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Hochgradig auffällige Läsionen mit starkem Malignitätsverdacht
  • Ulkuszentrum
  • Läsionen mit unauffälliger, intakter Epithelbedeckung – z. B. Fibrom

Das Verfahren

Die Bürstenbiospie stellt eine Form der Abrasionzytologie dar. Es werden Zellen aus allen Schleimhautschichten bis zur Basalzellschicht (unterste Zellschicht) gewonnen.

Das Biopsiebürstchen wird hierfür mehrfach mit leichtem Druck auf der zu untersuchenden Läsion um die eigene Achse gedreht. Eine Anästhesie ist hierfür nicht notwendig. Die Biopsie sollte dabei ausreichend tief sein und aus dem Randbereich zwischen verändertem und gesundem Gewebe entnommen werden. Eine leichte punktuelle Blutung lässt darauf schließen, dass die Zellen auch in der Tiefe entnommen wurden.
Anschließend werden die so gewonnenen Zellen von der Bürste auf einen Objektträger ausgestrichen und mittels Fixierspray fixiert.

Nach einer Trocknungszeit erfolgt der Versand der Proben an einen Pathologen zur Auswertung.

Die zytologische Beurteilung erfolgt, wie nachfolgend beschrieben:

  • Negativ – für epitheliale Atypien
  • Atypisch – weitere Abklärung empfohlen
  • Positiv – Dysplasie oder Karzinom
  • Ungenügend – unzureichendes Zellmaterial, Wiederholung empfohlen

Häufig wird die Bürstenbiopsie sowohl computergestützt als auch durch den Pathologen selbst ausgewertet.

Ist das Ergebnis negativ, sollten die Läsionen weiterhin regelmäßig durch den Zahnarzt kontrolliert werden.

Bei positivem Ergebnis schließt sich eine Exzisionsbiopsie an. Das bedeutet, es wird ein kleines Stück der Mundschleimhautläsion entnommen. Dies wird immer am Übergang von gesunder zu erkrankter Mundschleimhaut durchgeführt. Bestätigt sich auch hier die Diagnose, muss umgehend mit der weiterführenden Diagnostik und Therapie des Karzinoms begonnen werden:

Oftmals wird im Rahmen der Untersuchung auch ein Nebenbefund, wie eine Soor-Besiedelung der Läsion, festgestellt und kann so anschließend therapiert werden. Weitere mögliche Zusatzbefunde sind unter anderem:

  • Andere Neoplasien (Neubildungen) – z. B. Speicheldrüsentumoren, Metastasen (Tochtergeschwülste)
  • Entzündungen
  • Mykosen (Pilzinfektionen) – z. B. Candida albicans
  • Virale oder bakterielle Infektionen

Ihr Nutzen

Die Früherkennung des Mundhöhlenkarzinoms trägt maßgeblich dazu bei, die Überlebenschancen zu erhöhen. Dies zeigt, wie wichtig diese einfache Methode zur Überwachung oraler Risikoläsionen ist.

Literatur

  1. Robert Koch-Institut: Krebs in Deutschland – Mundhöhle und Rachen. RKI C00-14
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  3. Christian D: Computer-assisted analysis of oral brush biopsies at an oral cancer screening program. J Am Dent Assoc 133: 357–362 (2002)
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  8. Burkhardt A: Die Bürstenbiopsie. Theorie und Praxis einer neuen Methode zur Früherkennung des Mundhöhlenkarzinoms. Oralchirurgie Journal Ausgaben 2-4/06 (2006)
  9. Reichart PA: Orale Leukoplakie/Erythroplakie. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. DZZ 62 (01) 2007
  10. Swaczyna C: Bei Früherkennung sind die Überlebensraten drastisch besser. DZW 19.6.2009 (2009)
  11. Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.