Bestimmung der Speichelfließrate
Die Bestimmung der Speichelfließrate ist ein einfaches Verfahren, um die beim Kauvorgang produzierte Speichelmenge zu erfassen und daran eine Aussage über das individuelle Kariesrisiko zu knüpfen, welches durch eine reduzierte Speichelsekretionsrate signifikant erhöht wird.
Speichel, der nicht nur ausreichend, sondern möglichst reichlich fließt, schützt das Gebiss. Je mehr Speichel fließt, desto seröser (dünnflüssiger) ist er. Mundschleimhäute und Zähne werden gut befeuchtet, Nahrungsreste werden durch die Spülfunktion leichter aus den Zahnzwischenräumen entfernt. Reduziert sich der Speichelfluss (Oligosialie) oder kommt er gar ganz zum Erliegen (Xerostomie), so hat dies fatale Folgen für die Zähne, Parodont (Zahnhalteapparat) und die Mundschleimhäute, die durch die fehlende Schutzfunktion des Speichels bakteriellen Angriffen ausgeliefert sind.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Das Testergebnis veranschaulicht einem Patienten, der unter einer reduzierten Speichelsekretion leidet, dass er um so mehr Aufwand in seine Mundhygiene und Prophylaxemaßnahmen investieren muss, je weniger Speichelfluss er hat, um Zahnschäden so gering wie möglich zu halten.
- Eine Anzahl von Medikamenten können die Speichelsekretion beeinträchtigen. Hier eignet sich die Bestimmung der Fließrate zur Verlaufskontrolle und ggf. als Argumentationshilfe im interdisziplinären Gespräch, wenn eine medikamentöse Umstellung erwogen werden muss.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Keine
Vor der Untersuchung
Nach Herstellerangaben (KariesScreenTest von Aurosan) sollte der Patient mindestens eine Stunde vor Testbeginn alles unterlassen, was Einfluss auf die Speichelsekretion nehmen könnte:
- nichts essen
- nichts trinken
- nicht Kaugummi kauen
- nicht rauchen
- nicht Zähne putzen
- keine Mundspüllösungen verwenden
Das Verfahren
Die Speichelfließrate kann schnell und ohne großen Aufwand ermittelt werden:
- Zunächst regt der Patient den Speichelfluss 30 Sekunden lang durch Kauen eines Paraffinpellets an.
- In den fünf folgenden Minuten muss intensiv weiter gekaut werden. Den dabei produzierten Speichel sammelt der Patient in einem kalibrierten Gefäß.
- Danach wird die erreichte Speichelmenge abgelesen.
Speichelfließrate eines Erwachsenen | |
≥ 1 ml pro Minute | normal |
< 0,7 ml pro Minute | zu niedrig, Oligosialie |
< 0,1 |
Nach der Untersuchung
Sinnvollerweise sollte sich bei einer erniedrigten Fließrate eine Puffer-Kapazitätsbestimmung anschließen, da die Fähigkeit des Speichels Säuren zu neutralisieren bei reduziertem Speichelfluss ebenfalls eingeschränkt sein kann.
Bei Oligosialie und Xerostomie sollte nach möglichen Ursachen gesucht werden. Folgende Medikamente* führen zu einer erniedrigten Sekretionsrate:
- ACE-Hemmer
- Alpha-2-Agonisten
- Alpha-1-Rezeptorenblocker
- Anorektikum
- Antiallergika (H1-Antihistaminika)
- Anticholinergika [über periphere Rezeptorblockade]
- Antidepressiva [über zentrale Rezeptorblockade]
- Antiemetika
- Antiepileptika
- Antihistaminika
- Antiparkinsonmittel
- Antipsychotika (Neuroleptika)
- Antisympathotonika
- Anxiolytika
- Betablocker
- Bronchodilatatoren (β2-Mimetika)
- Carboanhydrasehemmer, lokale
- Diuretika
- Dopaminagonisten
- Dopaminantagonisten
- Drogen
- Hypnotika
- Magnesiumsulfat
- Narkotika, zentral wirkende Analgetika
- Parasympatholytika
- Perchlorate
- Sedativa
- Spasmolytika
- Sympathomimetika, indirekte
- Zytostatika
*Detailübersicht siehe im DocMedicus Arztinformationssystem unter Therapie/Pharmakotherapie/Arzneimittelnebenwirkungen/Mundtrockenheit durch Medikamente
Maßnahmen, die die Speichelfließrate positiv beeinflussen, sollten dem Patienten nahe gelegt werden:
- zwei- bis dreimal täglich Kaugummikauen zur Anregung des Speichelflusses und als Kariesprophylaxe, hierbei sind möglichst Xylit-haltige Produkte zu bevorzugen, da Xylit von den Bakterien nicht verstoffwechselt werden kann
- Kauen möglichst faserreicher (ballaststoffreicher) Nahrungsmittel zur Anregung des Speichelflusses und zur besseren Selbstreinigung der Zähne
Des Weiteren muss konsequente Kariesprophylaxe betrieben werden:
- regelmäßige häusliche Fluoridierung mit fluoridierter Zahncreme
- ergänzt z. B. durch wöchentliches Einbürsten konzentrierten Fluoridgels
- regelmäßige Fluoridierung in der Zahnarztpraxis
- engmaschiger Recall (Vorstellung in der Praxis in kürzeren Intervallen, z. B. alle zwei bis drei Monate)
- Motivation des Patienten zu deutlich zuckerreduziertem Ernährungsverhalten
Mögliche Komplikationen
Das einfache Verfahren wird nicht von allen Patienten gleichermaßen angenommen. Die Ablehnung gegen das Sammeln des Speichels ist geringer, wenn der Patient in den fünf Minuten unbeobachtet sein kann.
Literatur
- Herstellerangaben der Fa. Aurosan: https://kariesscreentest.de/
- Hellwege KD: Die Praxis der zahnmedizinischen Prophylaxe. Ein Leitfaden für die Individualprophylaxe, Gruppenprophylaxe und initiale Parodontaltherapie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 2003
- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.