Headgear
Bei einem Headgear (Außenbogen, Außenspange) handelt es sich um ein kieferorthopädisches Gerät, das mit extraoralen Zugbändern (Zugbändern außerhalb des Mundes) arbeitet, um Kräfte wirkungsvoll auf Zähne und Knochenstrukturen, vor allem des Oberkiefers einwirken zu lassen. Dies erfolgt in Kombination mit intraoral (in der Mundhöhle) festsitzenden oder herausnehmbaren Apparaturen.
Der Headgear selbst besteht aus einem Innenbogen und einem Außenbogen, die in Höhe des Mundes miteinander verlötet sind und deren Winkel zueinander indikationsabhängig eingestellt wird. Außerdem gehören Zugbänder zum System, die indikationsabhängig um den Nacken- und/oder Schädelbereich verlaufen. Die Zugbänder werden an den beiden Armen des Außenbogens befestigt.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Die Wirkung eines Headgear hängt sowohl von der Größe der eingesetzten Kraft als auch von deren Richtung ab. Um Zahnbewegungen auszulösen, bedarf es weniger großer Kräfte als für die Beeinflussung des Knochenwachstums. Nach der einwirkenden Kraftrichtung lässt sich der Einsatz des Headgear in drei Gruppen unterteilen:
- Headgear mit okzipitalem Zugverlauf (High-Pull-Headgear)
- Headgear mit zervikalem Zugverlauf (Cervical-Pull-Headgear)
- Headgear mit horizontalem Zugverlauf (Kombizug, Horizontal-Pull-Headgear).
Der Einsatz eines Headgears kann sinnvoll sein bei:
- vertikalem Wachstumsverlauf und frontal (im Bereich der Schneidezähne) und skelettal offenem Biss (Schneidezähne überlappen nicht aufgrund des Winkels, den Ober- und Unterkiefer zueinander einnehmen);
- in Kombination mit einer herausnehmbaren Oberkiefer-Apparatur, um das Wachstum des Oberkiefers zu bremsen;
- horizontalem Wachstumsverlauf und neutraler Bisslage;
- geringem Frontzahn-Überbiss (die oberen Schneidezähne überlappen sich mit den unteren weniger als 2 mm);
- bei Angle-Klasse II (Unterkiefer liegt im Verhältnis zum Oberkiefer zu weit zurück);
- Platzmangel im Oberkiefer in sagittaler Richtung (von vorn nach hinten betrachtet);
- zur Verankerung an sich korrekt stehender Molaren (hinterer Backenzähne) an ihrem Platz - dies ist z.B. erforderlich bei der systematischen symmetrischen Extraktion von vier Prämolaren (vorderen Backenzähnen), wobei die Molaren als Widerlager dienen müssen, um die verbliebenen vier Prämolaren und Frontzähne für den Lückenschluss zu distalisieren (nach hinten zu bewegen).
Je nach Winkel- und Krafteinstellung kann er dabei die unterschiedlichsten Wirkungen entfalten, so beispielsweise:
- die ersten Molaren (ersten hinteren Backenzähne) des Oberkiefers werden distalisiert (nach hinten bewegt) oder extrudiert (verlängert);
- die Oberkiefer-Front (Schneide- und Eckzähne des Oberkiefers) wird extrudiert (verlängert) oder intrudiert (verkürzt);
- obere nach mesial oder distal (nach vorne oder hinten) gekippte Molaren (hintere Backenzähne) werden aufgerichtet;
- die Neigung der Kauebene des Oberkiefers kann verändert werden;
- führt die Kraftrichtung durch das Resistenzzentrum (Widerstandszentrum) des Oberkiefers, wird dadurch keine drehende Reaktionsbewegung ausgelöst, sondern eine reine Translation (Verschiebung).
Das Verfahren
Der Planung eines Headgear liegen folgende Aspekte zugrunde: neben der Indikationsstellung muss der Kieferorthopäde vorab das Ausmaß und die Richtung des zu erwartenden Wachstums einschätzen können und zudem noch das vermutliche Ausmaß der Reaktion abschätzen. Der einzige Faktor, der bei Beginn der Behandlung tatsächlich bekannt ist, ist die Richtung der Reaktion, die sich aus der Planung der Mechanik ergibt. Alle anderen Parameter müssen regelmäßig kontrolliert und ggf. neu eingeschätzt werden.
Nach der Planung durch den Kieferorthopäden erfolgt die Anpassung eines konfektionierten (vorgefertigten) Headgears an den Patienten. Dazu werden Außen- und Innenbogen in Form und Winkel, den sie zueinander einnehmen, individuell auf die Indikationsstellung für den Patienten gebogen und in der Länge entsprechend eingekürzt. Die Enden des Innenbogens rasten entweder:
- an den Außenschlössern (Headgear-Röhrchen) von Bändern ein, welche auf den oberen ersten Molaren (hinteren Backenzähnen) des Patienten zementiert sind, oder
- in einer herausnehmbaren Oberkieferapparatur, wobei diese im zahntechnischen Labor individuell hergestellt wird.
Der Patient muss eine tägliche Tragezeit von 14 Stunden einhalten, wovon ein großer Anteil auf das Tragen in der Nacht fallen sollte, da nachts mehr Wachstum stattfindet als tagsüber.
Literatur
- Diedrich P. (2000). Kieferorthopädie I-III (1. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
- Knak S. (2003). Praxisleitfaden Kieferorthopädie (1. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
- Sander FG, Schwenzer N, Ehrenfeld M, Ahlers MO, Bantleon HP. (2011). Kieferorthopädie (2., neu erstelle und erweiterte Aufl.). Thieme Verlag.
- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.