Glaskeramik-Komposite
Unter Glaskeramik-Kompositen versteht man eine Werkstoffgruppe im Bereich der Zahntechnik. Aufgrund ihrer Materialeigenschaften sind sie zur indirekten Herstellung (Herstellung im zahntechnischen Labor nach Abdrucknahme) gerüstfreier Restaurationen (Versorgungen) wie ästhetisch aussehenden zahnfarbenen Inlays (Einlagefüllungen), Onlays (Einlagefüllung unter Einbeziehung der Zahnhöcker) und metallfreien Vollkronen sowie zur zahnfarbenen Verblendung z. B. von Teleskopkronen (teleskopartig ineinander gearbeitete Doppelkronen) geeignet.
Bei Komposits handelt es sich um Kunststoffe auf der Basis von Methylmethacrylat bzw. dessen zur Verbesserung der Materialeigenschaften weiterentwickelten chemischen Abkömmlingen und darin eingelassenen Füllstoffen wie beispielsweise kleinste Glaskeramikpartikel. Die chemische Aushärtung des Kunststoff-Basismaterials kann durch Zugabe von entsprechenden Initiatoren (Auslösern der chemischen Reaktion) sowohl chemisch als auch durch Licht initiiert werden; letzteres gestaltet die Verarbeitung sehr anwenderfreundlich.
Komposite finden auch in der direkten Füllungstechnik in der zahnärztlichen Praxis häufig Anwendung; für die indirekte Herstellung im Labor sind sie aber mit einem besonders hohen glaskeramischen Füllstoffanteil von ca. 75 % versehen. Gemeinsam mit den unter Laborbedingungen besseren Ausarbeitungsmöglichkeiten und dem geringeren Restmonomergehalt (Monomere: Einzelbestandteile, aus denen durch Zusammenlagerung die größeren makromolekularen Verbindungen, die Polymere, entstehen) durch einen höheren Grad der Polymerisation besitzen sie dadurch im Vergleich zur direkt im Mund hergestellten Füllung deutlich überlegene Materialeigenschaften. Diese sind im Folgenden näher erläutert:
Glaskeramik-Komposit-Werkstoffe dienen zur Herstellung indirekter Füllungen wie Inlays und Onlays, sowie von Kronen oder Verblendungen. Diese Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich aus folgenden Materialeigenschaften, die insbesondere im Vergleich zu keramischen Materialien zu sehen sind:
- ausgezeichnete Schlagzähigkeit, die etwa dem doppelten Wert von Verblendkeramik entspricht; die Schlagzähigkeit sagt etwas über die Widerstandskraft eines Materials gegen eine plötzlich auftretende Kraft aus;
- extra hoher E-Modul (Eigenfestigkeit), woraus sich eine hohe Belastbarkeit ergibt;
- hervorragende Biegebruchfestigkeit, deutlich höher als die von Verblendkeramik; diese Eigenschaft wirkt sich beispielsweise positiv bei einem – an sich zu vermeidenden – Höckerfrühkontakt aus;
- dem natürlichen Zahn ähnliche Abrasion (Abrieb), dadurch Antagonisten (in Kontakt tretender Zahn des Gegenkiefers) schonender als Keramik;
- schnellere und damit kostengünstigere Verarbeitung im zahntechnischen Labor als Keramik;
- Farbstabilität, der Keramik allerdings unterlegen;
- hohe Ästhetik; diese ist der Keramik zwar noch leicht unterlegen, erreicht aber durch winzige, teilweise nano-feine keramische Füllstoffe ein sehr hohes Niveau;
- Chamäleoneffekt bei Inlays, Onlays und Kronen, d. h. das Material leitet die Farbe der Nachbarzähne und des damit versorgten Zahns weiter und passt sich dadurch ästhetisch in die Zahnreihe ein.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Einsatz bei Bruxismus (Knirschen und Pressen mit den Zähnen)
- Zur Versorgung von Patienten, bei denen im Vorfeld zu befürchten ist, dass die Antagonisten (Zähne des Gegenkiefers, mit denen der zu versorgende Zahn beim Mundschluss in Kontakt gerät) durch den Aufbiss auf die härtere Keramik empfindlich reagieren könnten.
- Leichte Kostenersparnis im zahntechnischen Bereich durch Zeitersparnis, wobei sich in der zahnärztlichen Kalkulation keine Kostenunterschiede zur Keramik finden.
- Die Verblendung von Teleskopkronen erfolgt generell aufgrund des Herstellungsverfahrens nicht keramisch, sondern mit Kompositen.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Die entscheidende Gegenanzeige zu einer Versorgung mit Komposit jeder Art sind sehr seltene allergische Unverträglichkeitsreaktionen auf das nicht zu vermeidende Restmonomer, die bei Verdacht im Vorfeld durch einen Allergologen ausgeschlossen werden müssen. Bei positivem Befund ist der Füllungs- und Kronentherapie aus biologisch inerter Keramik der Vorzug zu geben, wobei in diesem Fall dann auch die Befestigung der Inlays, Onlays oder Kronen nicht, wie üblich, adhäsiv mit dünn fließendem Befestigungskomposit erfolgen darf, sondern konventionell mit Zementen erfolgen muss, was sich negativ auf den Randschluss und die Haftung der Versorgung am Zahn auswirkt.
Das Verfahren
Die Erläuterung der Vorgehensweise erfolgt am Beispiel der Inlay-Herstellung:
- Die Vorbereitung des zu versorgenden Zahns durch Präparation (Beschleifen) erfolgt durch den Zahnarzt; dabei wird nach Gesichtspunkten vorgegangen, die das Einpassen des fertigen Inlays in den Zahn in einer bestimmten Einschubrichtung ermöglichen und eine Mindestschichtdicke des Inlays aus Gründen der Materialstabilität berücksichtigen;
- nach der zahnärztlichen Behandlung erfolgt eine Abformung sowohl des betroffenen Kiefers als auch des Gegenkiefers, um den zu versorgenden Zahn zu seinen Antagonisten für die Oberflächengestaltung des Inlays in Bezug bringen zu können;
- Die Abformung ( "Negativ") wird im zahntechnischen Labor mit speziellem Gips ausgegossen: Das Gipsmodell ("Positiv") dient dem Zahntechniker als Basis, auf die er nach Modellvorbereitung und Isolierung des Zahnstumpfes (Modell des abgeformten zu versorgenden Zahns)
- das Glaskeramik-Kompositmaterial wird schichtweise mit speziellen Modellierinstrumenten aufgetragen; es erfolgt die sogenannte Modellation. Dabei stehen, dem natürlichen Zahn entsprechend, für die Imitation von Dentin und Schmelz Materialien verschiedener Farbe, Opazität und Transluzenz (Lichtdurchlässigkeit) zur Verfügung, die in Schichten aufgetragen und zwischendurch lichtpolymerisiert (durch Licht als Auslöser der chemischen Reaktion vernetzt und damit ausgehärtet) werden. Auch Effektmaterialien, die in die Schmelzschicht eingearbeitet werden, zur besonderen farblichen Charakterisierung stehen zur Verfügung.
- Besonders transluzente (lichtdurchlässige) Effektmassen, die an den Kontaktpunkten zu den Nachbarzähnen aufgetragen werden, sorgen für den Chamäleoneffekt.
- Abschlusspolymerisation (Endaushärtung)
- Ausarbeitung mit speziellen, in den Komponenten aufeinander abgestimmten Sets
Mögliche Komplikationen
Diese können sich aus der Biokompatibilität (biologischen Verträglichkeit) der Acrylate und der adhäsiven (anhaftenden) Befestigungstechnik am Dentin ergeben. Die entscheidende Rolle spielt dabei der nicht zu umgehende Gehalt an Restmonomer im fertig polymerisierten Material, was folgende Risiken birgt:
- Diffusion von Restmonomer in die Pulpa (Zahnmark), dadurch Auslösen einer Pulpitis (Zahnmarkentzündung);
- sehr seltene allergische Reaktionen (vgl. Kontraindikationen);
- eine nicht klinisch bestätigte potentielle Karzinogenität (krebserregende Wirkung)
- auch wird eine östrogenstimulierende Wirkung vermutet, ohne dass diese experimentell nachgewiesen wäre.
Literatur
- Heidemann et al. (2001). Amalgamfreie Füllungstherapie: Alternative Wege (1. Aufl.). Urban & Fischer.
- Ehrenfeld M, Gängler P, Hoffmann T, Schwenzer N & Willershausen B. (2010). Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie (3. Aufl.). Thieme Verlag.
- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.