Internes Bleaching
Beim internen Bleaching (Synonyme: Walking-Bleach-Technik; Walking-Bleach- Methode; interne Bleichung; internes Bleichen) handelt es sich um ein Verfahren zur Aufhellung eines verfärbten devitalen (marktoten) wurzelbehandelten Zahnes, wofür das Bleichagens (Bleichmittel) für einige Tage in den Zahn eingebracht wird und unter dichtem Verschluss seine Wirkung bis zum gewünschten Aufhellungsergebnis entfalten kann.
Ein Patient verbindet heute mit einer erfolgreichen zahnmedizinischen Versorgung nicht nur den Wunsch auf die Wiederherstellung und Gesunderhaltung seiner Kaufunktion, sondern er hofft gleichermaßen auf ästhetische Verbesserungen, die ihm zu einem schönen Lächeln und dadurch zu einer sympathischeren und kompetenteren Ausstrahlung verhelfen.
Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung halten weiße Zähne für wichtig und jeder Vierte interessiert sich für eine Bleaching-Behandlung.
Ursächlich für die Verfärbung eines devitalen Zahnes kommen v. a. Blutabbauprodukte und Eiweißzerfallsstoffe aus der nekrotisch zerfallenen Pulpa (dem abgestorbenen Zahnmark) infrage. Eisen wird freigesetzt, das in die Dentinkanälchen gelangt und dort mit bakteriell erzeugtem Schwefelwasserstoff (H2S) zu bräunlich-grauen Farbstoffen reagiert.
Als Bleichagens (Bleichmittel) bieten sich folgende Möglichkeiten an; die Komponenten werden jeweils unmittelbar vor Anwendung frisch zu einer Paste in sahniger Konsistenz angemischt:
- 30%iges Wasserstoffperoxid (Wasserstoffsuperoxid, H2O2) und Natriumperborat; das hierbei angesetzte Gemisch weist einen stark sauren pH-Wert von 2-3 auf.
- 3%iges Wasserstoffperoxid (1 ml) und Natriumperborat (2 g); das Gemisch reagiert mit einem stark alkalischen pH-Wert von 9-11.
- Natriumperborat und Wasser; auch bei diesem Gemisch wird Wasserstoffperoxid als reaktives Agens abgespalten.
Der Bleichvorgang beruht auf der Wirkung des Wasserstoffperoxids. Dieses ist ein starker Radikalbildner, der chromogene Substanzen in farblose Reaktionsprodukte umwandelt und Metalloxide reduziert. Während bei letztgenanntem Gemisch die Bleichwirkung verzögert einsetzt und ein häufigerer Austausch der Bleicheinlage nötig sein kann, unterscheiden sich die beiden mit H2O2 angesetzten Gemische trotz des großen Konzentrationsunterschiedes hinsichtlich ihrer Effektivität nicht. Da aber das Risiko einer zervikalen Resorption (Auflösung der Zahnhartsubstanz im Zahnhalsbereich) mit der Anwendung von 30%igem H2O2 in Verbindung gebracht wird, gilt die Empfehlung zur Anwendung des zweiten Gemischs mit nur 3%igem H2O2 und Natriumperborat.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Das interne Bleaching ist ausschließlich für devitale (marktote) Zähne geeignet, die mit einer suffizienten Wurzelkanalfüllung versorgt sind und keinerlei Symptome aufweisen. Ist der Zahnhartsubstanzverlust im Kronenbereich nur gering, kann sich das interne Bleaching als einzige Behandlungsmaßnahme anbieten. Bei größerem Substanzverlust und dadurch bedingter Indikation zur Versorgung mit einer Teilkrone oder Krone kann ein vorheriges Bleaching sinnvoll sein, da sich die Zahnverfärbung in der Regel bis in den Wurzelbereich erstreckt und deshalb durch die dünne Gingiva (Zahnfleisch) im Zahnhalsbereich durchschimmern kann.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
Liegen folgende Kontraindikationen vor, sollte der zu bleichende Zahn zunächst einer entsprechenden Therapie zugeführt werden, sofern nicht sogar die Entscheidung zur Extraktion (Zahnentfernung) ansteht:
- Röntgenologische Auffälligkeiten am Apex (Wurzelspitze)
- Insuffiziente (unzureichende) Wurzelfüllung
- Wurzelresorptionen (Einschmelzungen der Zahnwurzeln)
- Klinische Entzündungssymptome wie Perkussionsdolenz (Klopfschmerz) oder Aufbissempfindlichkeit
- Ungünstige Langzeitprognose, z. B. aus parodontologischen Gründen (den Zahnhalteapparat betreffende Gründe)
Vor dem internen Bleaching
Vor dem Bleaching muss Folgendes diagnostisch abgeklärt sein:
- Zustand der Wurzelfüllung
- röntgenologische Abklärung des Apex (der Wurzelspitze) und des Parodonts (Zahnhalteapparates)
- Kontrolle der Zahnhartsubstanz im Kronenbereich auf Schmelzrisse, undichte Füllungsversorgungen, Größe der Restaurationen, ggf. Planung einer anschließenden Kronen- /Teilkronenversorgung
- Abklären einer günstigen Langzeitprognose.
Außerdem muss der Patient im Vorfeld über mögliche Risiken und Komplikationen sowie sein Verhalten während der Bleichtherapie hinsichtlich der erhöhten Frakturgefahr (Bruch) aufgeklärt werden.
Das Verfahren
- ggf. Exkavation von Karies (Entfernen von kariösem Dentin mit langsam rotierenden Bohrern) und Entfernen von Pulparesten (Resten des Zahnmarks/Zahnnervs) unter weitestgehender Schonung der Hartsubstanz
- Anlage von Kofferdam
- ggf. vorübergehender Füllungsaustausch bei insuffizienten (undichten) Rändern
- Abtragen des Wurzelfüllmaterials bis 1 mm apikal (Richtung Wurzelspitze) des Wurzelkanaleingangs, aber nicht unter Knochenniveau
- Revision der Wurzelkanalfüllung, falls sich klinisch Undichtigkeiten zeigen, die im Röntgenbild verborgen blieben
- Abdecken der Wurzelfüllung mit Phophatzement oder in einer dentinadhäsiven Füllung
- Einbringen des Bleichagens
- dichter provisorischer Verschluss z. B. mit Kompomer (Kunststofffüllung)
- erste Kontrolle nach drei bis fünf Tagen
- Austausch des Bleichagens, wenn Aufhellung noch unzureichend
- danach engmaschigere Kontrollen bis zum gewünschten Aufhellungsergebnis, das nach zwei bis vier Wochen erreicht sein sollte
- nach Erreichen der gewünschten Aufhellung Spülungen mit Natriumhypochlorit, um verbliebenes H2O2 zu neutralisieren
- bei Verwendung der hochprozentigen H2O2-Mischung vorübergehende Calciumhydroxid-Einlage, um den sauren pH-Wert zu neutralisieren
- Füllungsversorgung; endgültige dentinadhäsive Kunststofffüllungen, die nicht oral (zur Mundhöhle hin) liegen, sondern im sichtbaren Bereich, sollten erst etwa vier Wochen nach dem internen Bleaching gelegt werden, da die Zahnfarbe sich bis zu diesem Zeitpunkt noch verändern kann.
Mögliche Komplikationen
- Fraktur (Bruch) im Verlauf des Bleichverfahrens, da der Zahn, solange das Bleichagens eingelegt ist, hohl und somit instabil ist
- Wurzelresorptionen (Wurzelauflösungen) bei unzureichend abgedichteter Wurzelkanalfüllung
- zervikale Resorption (Auflösung im Zahnhalsbereich); diese wird insbesondere in Verbindung mit der hochprozentigen H2O2 Einlage aufgrund ihrer starken Radikalbildung und des sauren pH-Werts diskutiert
Literatur
- Gängler P, Hoffmann T, Willershausen B, Schwenzer N, Ehrenfeld M: Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005
- Bargholz C, Hör D, Zirkel C: Praxisleitfaden Endodontie. Elsevier, Urban & Fischer Verlag 2006
- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.