Unterstützende Parodontitistherapie (UPT)
Das Ergebnis einer aufwendigen Parodontitistherapie (Behandlung von Zahnbettentzündungen) lässt sich nur dann dauerhaft stabilisieren, wenn sich der Patient im Anschluss langfristig dem Programm einer unterstützenden Parodontitistherapie (UPT; Synonyme: Unterstützende parodontale Therapie; Parodontale Erhaltungstherapie; PET) unterzieht.
Unter einer Parodontitis (Synonyme: Parodontitis apicalis; Alveolarpyorrhoe; Pyorrhea alveolaris; entzündliche Parodontopathie; ICD-10-GM K05.2: Akute Parodontitis; ICD-10-GM K05.3: Chronische Parodontitis; Umgangssprache: Parodontose) versteht man entzündliche Prozesse am Zahnhalteapparat, durch die es zum Rückgang des die Zahnwurzeln umgebenden Alveolarknochens, schließlich zur Zahnlockerung und in letzter Folge zum Verlust der betroffenen Zähne kommt.
Eine Parodontitis manifestiert sich nicht ohne das Vorhandensein von Keimen, die zerstörerisch auf die Hart- und Weichgewebe des Parodonts (Zahnhalteapparats) einwirken. Ab welcher Bakterienlast (Menge an belastenden Bakterien) es letztlich zum Ausbruch der Erkrankung kommt, wird wesentlich von bestimmten Risikofaktoren mit beeinflusst. Im Rahmen der UPT werden diese ermittelt und zu reduzieren versucht.
Die Behandlung einer Parodontitis gestaltet sich aufwendig und zielt u. a. auf die Beseitigung des subgingivalen Biofilms (bakterielle Auflagerungen in den Zahnfleischtaschen auf den Wurzeloberflächen) ab, kann aber nicht damit enden. Insbesondere bei der chronischen Verlaufsform müssen dauerhafte Maßnahmen ergriffen werden, damit eine Wiederbesiedelung der Zahnfleischtaschen mit parodontopathogenen Keimen (mit Keimen, die den Zahnhalteapparat schädigen) nicht zum erneuten Ausbruch der Erkrankung führt.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Zur langfristigen Stabilisierung des Ergebnisses einer Parodontitisbehandlung
- Zur Vermeidung einer Rekolonisation parodontalpathogener Keime (Wiederbesiedlung mit Bakterien, die den Zahnhalteapparat schädigen) durch regelmäßige Entfernung des Biofilms
- Zum Erhalt der Parodontien unter weitgehender Entzündungsfreiheit
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Keine
Vor dem Verfahren
Der UPT gehen Zahnsteinentfernung, professionelle Zahnreinigung (PZR), eine antiinfektiöse Parodontaltherapie und ggf. daran anschließende parodontalchirurgische Maßnahmen voraus.
Das Verfahren
I. Ermittlung des individuellen Parodontitisrisikos
Einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Behandlungsergebnisses leisten zum einen die Bemühungen des Patienten um eine intensive häusliche Mundhygiene mit Umsetzung aller empfohlenen Maßnahmen, zum anderen regelmäßige Recalls (Wiedervorstellungstermine) in der zahnärztlichen Praxis. Ohne die regelmäßige Teilnahme am Recall wird eine Parodontitistherapie in der Regel nicht dauerhaft erfolgreich sein.
Da die Recallfrequenz vom individuellen Parodontitisrisiko eines jeden Patienten abhängt, muss dieses zunächst ermittelt werden. Anhand der Untersuchungsergebnisse wird festgelegt, in welchen Intervallen eine Wiedervorstellung erforderlich ist. Folgende Faktoren fließen in das Ergebnis ein:
- Systemische Faktoren
- Genetische Faktoren
- Nikotinkonsum (Rauchen)
- Parodontalstatus mit Angaben zur Blutung bei Sondierung und Sondierungstiefen
- Mundhygieneindex
- Abbau parodontalen Knochens
- Zahnverlust
- Stress
I.1. Systemische Faktoren
Alle allgemeinmedizinischen Befunde nehmen Einfluss auf die Widerstandskraft des Zahnhalteapparats. So stellen beispielsweise Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) eine Risikogruppe dar.
I.2. Genetische Faktoren
Unter den genetischen Faktoren spielt der IL-1α/1β-Polymorphismus eine Rolle. Die Entzündungsneigung des Parodonts wird durch Interleukin-1 vermittelt. Interleukin-1 wird nur im Entzündungszustand produziert und dient der Kommunikation zwischen Immunabwehrzellen. Bei positivem IL-1-Genotyp wird Interleukin-1 leichter und verstärkt aus Monozyten (Zellen des Immunsystems, Vorläufer der Makrophagen/Fresszellen) freigesetzt, wenn diese Oberflächenkontakt mit parodontopathogenen, gramnegativen Bakterien haben.
Liefert ein Interleukin-1-Gentest ein positives Testergebnis, so bedeutet dies für einen parodontal gesunden Menschen nicht zwingend den Ausbruch der Erkrankung. Für einen Patienten mit einer bereits unter starkem Knochenverlust abgelaufenen Parodontitis ist ein Test nicht unbedingt erforderlich, da der Patient ohnehin zur Hochrisikogruppe zählt. Für Patienten mit noch mildem Krankheitsverlauf kann ein positives Testergebnis jedoch ein starker Motivator für die konsequente Umsetzung der Mundhygieneempfehlungen sein.
I.3. Nikotinkonsum
Rauchen ist eindeutig der stärkste Risikofaktor für eine Parodontalerkrankung: 30 Zigaretten täglich führen zu einem fast um den Faktor 6 erhöhten Parodontitisrisiko. Auch die Anzahl der Jahre, die der Patient bereits als Raucher verbracht hat, fließen in das Ergebnis mit ein, da sich die über Jahre andauernde Nikotinwirkung auf das Parodont summiert.
I.4. Parodontalstatus
Es ist sinnvoll, mindestens einmal jährlich Taschentiefenmessungen vorzunehmen, um die Stabilität des durch die Parodontitistherapie erreichten Ergebnisses zu überprüfen. Mit der Anzahl der Sondierungstiefen ab 5 mm steigt das Risiko eines erneuten Krankheitsausbruchs.
Ergänzt werden die Sondierungstiefen durch die Erhebung eines Index, der Aussagekraft über eventuelle Entzündungszeichen besitzt (BOP: Bleeding on Probing, Blutung bei Sondierung). Tritt keine Blutung beim Sondieren einer Tasche auf, so kann diese als stabil angesehen werden. Je höher der BOP-Wert für das Gebiss ausfällt, desto größer ist die Gefahr, einen erneuten Attachmentverlust (Befestigungsverlust durch Verlust parodontaler Gewebe) zu erleiden. Der BOP-Wert ist gleichzeitig der Gradmesser für eine erfolgreich ausgeführte häusliche Mundhygiene.
I.5. Mundhygieneindex
Das Anfärben des Biofilms (Plaque, Zahnbelag) zeigt dem Patienten anschaulich Defizite seiner häuslichen Mundhygiene auf und dient dem Auffrischen seiner Kenntnisse über die individuell sinnvolle Technik zur Plaqueentfernung. Je schwerer dem Patienten die adäquate Plaqueentfernung fällt, umso wichtiger ist ein engmaschig angesetzter Recall.
I.6. Abbau parodontalen Knochens / Zahnverlust
Hat eine Parodontalerkrankung bereits zum Verlust eines oder mehrerer Zähne geführt, so führt dieser Befund zu einer erhöhten Risikoeinschätzung. Das Gleiche gilt für noch vorhandene, aber bereits durch den Verlust umgebenden Alveolarknochens gefährdete Zähne.
I.7. Stress
Dass Stress negativen Einfluss auf die Abwehrmechanismen des Körpers hat, ist inzwischen hinreichend anerkannt. Und so kann er sich auch schwächend auf die Abwehrkräfte auswirken, die die Gewebe des Zahnhalteapparats parodontopathogene Bakterien entgegensetzen müssen.
II. Festlegen des Recall-Intervalls
In der Regel wird die erste Wiedervorstellung nach erfolgreichem Abschluss einer Parodontitisbehandlung nach vier bis acht Wochen erfolgen. Weitere Recalls schließen sich in Abhängigkeit vom geschätzten Risiko im Abstand von drei bis sechs Monaten an. Die UPT sollte lebenslang fortgeführt werden. Mit der geeigneten UPT können durch Parodontitis verursachte Zahnverluste zwar nicht völlig verhindert, aber durchschnittlich um die Hälfte reduziert werden.
III. Ablauf der Recallsitzung
Ein Recalltermin kann folgende Maßnahmen umfassen:
- Aktualisierung der Allgemeinanamnese hinsichtlich der Risikofaktoren
- Erhebung der klinischen Entzündungsparameter (BOP)
- Parodontalstatus – Taschentiefenmessungen
- Kariesrisikobestimmung – Durch den Verlust parodontaler Gewebe liegen Wurzeloberflächen frei. Diese sind kariesanfälliger als Zahnschmelz.
- Professionelle Zahnreinigung (PZR) – Entfernung supra- und subgingivalen Zahnsteins und Biofilms (Entfernung harter und weicher Beläge oberhalb und in den Zahnfleischtaschen) mit anschließender Politur aller zugänglichen Flächen
- Behandlung entzündeter Taschen – durch Scaling (mechanisches Säubern) der Wurzeloberfläche zur mechanischen Zerstörung des Biofilms und ggf. anschließende Applikation eines lokal wirkenden Antibiotikums oder alternativ eines antibakteriellen Chlorhexidin-Chips (PerioChip®)
- Remotivation – Auffrischen der Kenntnisse über Mundhygienetechniken, den Stellenwert von Fluoriden (Kariesprophylaxe), Nikotinkonsum u. a.
- Behandlung empfindlicher Zahnhälse
- Festlegen des nächsten Recalltermins
Mögliche Komplikationen
- Mangelnde Compliance – Wille zur Mitarbeit und/oder zum Einhalten der Recalltermine fehlt
- Mangelnde manuelle Fähigkeit, die Techniken zur Plaqueentfernung umzusetzen
- Übergang einer chronischen in eine akute Phase – Wiederaufflammen der Parodontitis
Literatur
- Gängler P, Hoffmann T, Willershausen B, Schwenzer N, Ehrenfeld M: Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. Georg Thieme Verlag 2005: 341-342
- Heidemann D. (2007). Parodontologie (4. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
- Müller HP. (2012). Checklisten der Zahnmedizin Parodontologie (3. Aufl.). Thieme Verlag.
- Zöller J, Gutsche G: In der PET wesentliche Befunde sammeln oder nach Bakterien jagen? Zahnarzt & Praxis 15, 6, 382-387 (2012)
- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.
- Eickholz P. (2021). Parodontologie von A bis Z (2. Aufl.). Quintessence Publishing.
Leitlinien
- S3-Leitlinie: Subgingivale Instrumentierung. (AWMF-Registernummer: 083 - 030), Oktober 2019 Kurzfassung Langfassung