Gesichtsmasken
Gesichtsmasken sind extraoral (außerhalb des Mundes) verankerte kieferorthopädische Geräte. Sie nehmen Einfluss auf die Lage und das Wachstum des Oberkiefers.
Generell kommen extraoral verankerte kieferorthopädische Geräte dann zum Einsatz, wenn die Kräfte, welche für eine Beeinflussung des Kieferwachstums erforderlich sind, nicht allein über intra- oder intermaxilläre (an einem oder beiden Zahnbögen befestigte) festsitzende Apparaturen ansetzen können.
Die Funktion einer Gesichtsmaske besteht in einer auf den Oberkiefer nach ventral und labial (nach vorn und lippenwärts) einwirkenden Zugkraft. Ist die Oberkieferbasis im Gesichtsschädel zu weit nach dorsal (nach hinten) gelagert, kann durch die Einwirkung der Zugkraft Einfluss auf die basale Situation des Oberkiefers im Sinne einer Vorverlagerung genommen und ein Wachstumsimpuls in die entsprechende Richtung gegeben werden. Der Oberkiefer wird also in seiner Lage und Neigung orthopädisch beeinflusst und sein Wachstum stimuliert.
Sinnvollerweise wird ein zu klein, zu schmal oder zu weit nach dorsal (nach hinten) entwickelter Oberkiefer möglichst frühzeitig behandelt, um eine möglichst effektive Wirkung auf die skelettalen Strukturen zu erzielen. Dies gilt insbesondere für die echte Progenie (Fehlbiss, bei der ein unphysiologischer Überbiss der unteren über die oberen Schneidezähne besteht), bei der ein skelettales Missverhältnis zwischen zu kleinem Oberkiefer und überschießend wachsendem Unterkiefer vorliegt. Das bedeutet, dass die Behandlung schon im Milchgebiss bzw. im frühen Wechselgebiss beginnt (Alter fünf bis acht Jahre). Es handelt sich hierbei um eine kieferorthopädische Frühbehandlung.
Die Behandlung mit einer Gesichtsmaske stellt nie die alleinige kieferorthopädische Therapie dar. Sie ist vielmehr eingebettet in ein Gesamtkonzept, zu dem weitere Behandlungsmaßnahmen wie herausnehmbare und festsitzende Apparaturen oder auch operative Eingriffe (z. B. bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder echter Progenie/Überbiss) zählen können.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- zur Überstellung eines frontalen Kreuzbisses im frühen Wechselgebiss
- bei – durch falsche Verzahnung der Schneidezähne verursachtem – progenem Zwangsbiss
- bei unechter Progenie maxillärer Hypoplasie (Unterentwicklung des Oberkiefers) zur Anregung des Mittelgesichtswachstums
- bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKG-Spalte) – geht einher mit maxillärer Hypoplasie (Unterentwicklung des Oberkiefers)
- bei echter Progenie, die sich durch ein überschießendes Unterkieferwachstum auszeichnet, zur Hemmung des Unterkieferwachstums (Delaire-Maske)
- zur Mesialisierung (Bewegung im Zahnbogen nach vorn) von Zähnen im Ober- oder Unterkiefer
Vor dem Verfahren
- Aufklärung über Ablauf und Dauer der Behandlung
- Ausschluss von Vorschädigungen der Kiefergelenke (Delaire-Maske)
Die Verfahren
Über Erfolg oder Nichterfolg einer Behandlung mit Gesichtsmaske entscheidet nicht zuletzt die Dauer, über welche die durch sie aufgebauten Kräfte auf die skelettalen Strukturen einwirken können. Die Tragedauer einer Gesichtsmaske beträgt ein bis zwei Stunden vor dem Schlafengehen und nachts, sodass eine tägliche Tragezeit von etwa 14 Stunden erreicht wird. Die Behandlung erstreckt sich über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr.
I. 1. Delaire-Maske
Anders als der Begriff der Gesichtsmaske suggeriert, bedeckt eine solche das Gesicht nur in Teilbereichen. Die Delaire-Maske (Synonym: Gesichtsmaske nach Delaire und Verdon) wird über Pelotten (Auflageflächen) an der Stirn und am Kinn abgestützt. Zwischen den beiden Auflagen verlaufen in vertikaler Richtung zwei dünne Metallschienen, an denen wiederum ein Schraubensystem stufenlos in der Vertikalen justiert werden kann. Das Schraubensystem stellt über elastische Züge die Verbindung zu einer festsitzenden, am oberen Zahnbogen befestigten kieferorthopädischen Apparatur her. Der Zug des Systems ist in sagittaler („von vorn nach hinten verlaufend“) Richtung nach ventral ausgerichtet (nach vorn), wobei die Zugkraft 2-3 N beträgt.
Durch die Abstützung in der Kinnregion wirkt die Delaire-Maske über die wachstumsfördernde Wirkung auf den Oberkiefer hinaus auch wachstumshemmend auf den Unterkiefer. Hierfür wird eine Belastung der Kiefergelenke in Kauf genommen, die aus diesem Grund keine Vorschädigungen aufweisen dürfen.
I.2. Delaire-Maske –Tübinger Modell
Wird die Delaire-Maske durch ein Gummiband, das über den Hinterkopf verläuft, gegen Verrutschen gesichert, spricht man vom Tübinger Modell.
II. Grummons-Maske
Die Gesichtsmaske nach Grummons (Synonym: Suborbitalmaske von lat.: sub orbita = unter der Augenhöhle) arbeitet ebenfalls mit einer Stirnpelotte, verzichtet aber auf die Abstützung in der Kinnregion und hat stattdessen Widerlager im Bereich der Jochbögen beidseits. Anders als die Delaire-Maske überträgt diese Konstruktion keine Krafteinwirkung auf die Kiefergelenke und wirkt deshalb allerdings auch nicht wachstumshemmend auf den Unterkiefer.
Literatur
- Diedrich P. (2000). Kieferorthopädie I-III (1. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
- Gerabek WE: Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter Verlag 2000:735
- Horch HH: Kieferorthopädie 3. Verlag Urban & Schwarzenberg 2000: 67, 159
- Knak S. (2003). Praxisleitfaden Kieferorthopädie (1. Aufl.). Elsevier, München / Urban & Fischer.
- Stelzenmüller W, Wiesner J: Therapie von Kiefergelenkschmerzen. Ein Behandlungskonzept für Zahnärzte, Kieferorthopäden und Physiotherapeuten. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2010: 254
- Sander FG, Schwenzer N, Ehrenfeld M, Ahlers MO, Bantleon HP. (2011). Kieferorthopädie (2., neu erstelle und erweiterte Aufl.). Thieme Verlag.
- Wichelhaus A., Wolf HF (Hrsg): Kieferorthopädie – Therapie Band 1. Grundlegende Behandlungskonzepte. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2012: 103, 402 ff
- Weber T. (2017). Memorix Zahnmedizin (5. unveränderte Aufl.). Thieme Verlag.